Wann sind wir alle so groß geworden?

Wenn mich Menschen fragen, wie mein Studium ist, sage ich: „Gut, also mir macht es noch Spaß und bis jetzt ist es auf jeden Fall machbar.“ Das erzähle ich so, als ob ich ganz am Anfang stehen würde, als ob ich noch in der Ausprobier-Phase wäre. Und dann nachdem ich das ausgesprochen habe, fällt mir auf, dass ich das lange nicht mehr bin, dass meine Bachelorarbeit bereits abgegeben ist und ich damit alles andere als am Anfang meines Studiums bin.

Ich habe das Gefühl so langsam bin ich aus der „ich weiß nicht wie man Wäsche wäscht - Phase“ raus und in der „ich kann sogar Fenster putzen - Phase“ drin (also fast).
Die ersten ziehen aus der Stadt, in der wir zusammen gelebt haben schon wieder weg und ich realisiere, dass der Satz „Ich bin neu in der Großstadt“ mittlerweile gelogen wäre. Ich bin über das ausprobieren, wie es ist alleine zu wohnen hinaus, obwohl es sich manchmal immer noch so anfühlt und ich ab und an am liebsten bei meinen Eltern am Frühstückstisch sitzen möchte anstatt in dem hippen Café. Vielleicht wird das auch für immer ein bisschen so bleiben.

Ich lebe jetzt hier. Manchmal frage ich mich, wie oft ich noch in Hamburg ankommen muss, um es bis in die letzte Zelle meines Körpers zu verstehen.

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Letztens habe ich sogar das erste Mal einen Flat White bestellt und ich trinke mittlerweile unironisch Matcha. Ich habe hier jetzt einen Zahnarzt.

Vielleicht ist diese Ära des ersten Ausprobierens vorbei. Diese Ära, in der man das erste Mal alleine wohnt, das erste Mal wichtige Entscheidungen ganz alleine trifft. Es ist die Ära „ich bin aufgeregt in der Großstadt zu wohnen“, die langsam zu Ende geht. Denn mittlerweile wohne ich hier seit vier Jahren und aus der Traumvorstellung Großstadt ist ein weiteres Zuhause geworden. Es ist die Ära, in der ich das Nest verlassen habe und das erste Mal so richtig auf mich alleine gestellt war und ich mich doch immer mal für ein paar Augenblicke zurück wünschen. Nur für ein paar Sekunden nochmal im Kinderzimmer die Decke anstarren.

Die Ära „oh mein Gott, wir werden alle Stars“ ist vorbei. Die Realität hat mich ein bisschen mehr eingeholt, ich bin ihr immer noch ein paar Längen voraus und hoffe, das bleibt auch noch eine Weile so, aber da ist sie. Diese Realität.

Trotzdem sitze ich, während ich das hier schreibe, immer noch im gleichen Café, wie in meiner ersten Hamburg Woche und freue mich ein bisschen zu doll, dass das alles mein Alltag ist und ich mich nicht beeilen muss. Weil ich hier lebe, und zwar so lange ich das möchte und es sich gut anfühlt.

Ich kann mittlerweile durch die Straßen laufen und Menschen wiedererkennen.
Ich kann mittlerweile durch die Straßen laufen und denke an Momente, die ich an genau diesen Orten erlebt habe. Das ist schön und fühlt sich nach zu Hause an.

Und ich bin mir sicher, egal wo wir landen werden, diese Stadt hat für ein paar Augenblicke uns gehört.

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